FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
— 7. Oktober 1968 —
Fingerhut und Augentrost wachsen auf den Kahlschlägen. In eingefriedeten Schonungen gedeiht junges Nadelholz. Hochstände gestatten dem Anständigen eine todsichere Augenweide. Weder Flechten noch Moos noch Farnkraut können die ausrangierten V-1-Rampen nahe dem Auge Gottes verheimlichen. Das Auge Gottes, eine 306-m-Höhe an der Grenze von Siebengebirge und Westerwald, ist ins mystische Halbdunkel des Mischwaldes gehüllt. Gäste des Staates nächtigen, nur wenige Kilometer nördlich, auf dem Petersberg. An seinem Fuß liegt das Kloster Heisterbach, aus dessen Garten einst ein Mönch schönen Vogelstimmen nachgegangen und unversehens ins Paradies gelangt sein soll. Als er nach unentwegter Wanderung ins Kloster zurückkam, waren Jahrhunderte verstrichen, und der Mönch. angesichts der nicht mehr wiederzuerkennenden Wirklichkeit, verschied alsbald.Caesarius, Zisterzienserprior in Heisterbach zur Hohenstaufenzeit, berichtet von einem begnadeten Knaben, dessen Seele vorzeitig den Leib verließ und dem göttlichen Antlitz gegenübertrat, das sich zunächst hinter einem zarten Schleier verbarg. Nachdem aber die Seele des Knaben in einem feurigen Brunnen gebadet hatte, zeigte sich ihr das Auge Gottes unverhüllt und im Glanze seiner Freundlichkeit, Heiterkeit und Milde. Danach habe die Seele, sehr zum Ärger der neidvollen Brüder, in den Leib zurückkehren dürfen.
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Nach der akkuraten Ausmalung des Auges zu schließen, das auf den Wanderer im Erpeler Kirchspielwald bei Bad Honnef herabsieht, ist Gottes Auge ein linkes.
© (1968·2002) <··· ···> Gerd Hergen Lübben