1856
3. September: Geburt von Ernst Moses Marcus in Kamen/Westfalen als
ältester
Sohn von Robert Marcus und seiner Ehefrau Berta, geb. Marx.
1876 Nach abgeschlossenem Gymnasiumsbesuch in Soest Beginn des Studiums der Rechtswissenschaft an den Universitäten in Bonn (ein Jahr) und Berlin. 1885 Ernennung zum Gerichtsassessor. 1885-90 Als Assessor und Richter tätig in Kamen, Unna, Hörde, Hagen und Gelsenkirchen. 1889 Durch Lektüre von Schopenhauers Parerga und Paralipomena zur Beschäftigung mit der Philosophie Kants gelangt. 1890 3. Mai: Ernennung zum Amtsrichter. 1. Juni: Feste Anstellung als Amtsrichter in Essen, wo er nun »sesshaft« wird. 1892 7. März: Erstmals mit dem Problem der »exzentrischen Empfindung« befasst, aufbauend auf den »Lehren Kants«, der - wie Marcus im »Vorwort« seiner 1918 erscheinenden »Abhandlung« schreibt - »mit großer Wucht die Subjektivität sinnlicher Vorstellungen betont und das Interesse auf das Problem ihrer Genesis hinlenkt«. 1893 28. Juli: Eheschließung mit Berta Auerbach, geb. am 15. August 1869 in Vreden/Westfalen. Einzug in eine Etagenwohnung, Dreilindenstraße 68. 1894 27. Juni: Geburt der Tocher Dora-Debora († 5. März 1979 in Essen) [genannt Dore. Sie rief — nach ihrer Verehelichung (1914) mit Artur Jacobs (1880-1968; promovierter Mathematik-, Physik- und Philosophielehrer, erster hauptberuflicher Dozent der 1919 gegründeten Essener Volkshochschule sowie Initiator und Leiter eines "Bund - Gemeinschaft für sozialistisches Leben" (1924) genannten Experimentierkeises für neue Formen des Zusammenlebens "in Verantwortung für sich selbst und für die Welt" und für "wissenschaftlichen Gesamtunterricht" — die "Bundesschule für Körperbildung und rhythmische Erziehung" (1924) ins Leben, das heutige "Dore-Jacobs-Berufskolleg". Dore Marcus nahm auf Anregung ihres Vaters außerschulischen Musik- und Rhythmik-Unterricht nach der Methode Jaques-Dalcroze und studierte — nach Abitur 1911 — in Heidelberg (Mathematik, Physik), dann in Dresden-Hellerau Rhythmik und Gehörbildung am Institut des Schweizer Reformpädagogen und Komponisten Emile Jaques-Dalcroze (Examen 1913) sowie in Bonn. Sie wurde — u.a. nach Vorträgen von Martin Buber und Kennenlernen des Chassidismus — begeisterte Zionistin; gründete in Essen eine Gruppe des jüdischen Jugend-Wanderbundes Blau-Weiß. Ab 1920 Arbeitskreise im Kontext der Essener Volkshochschule, woraus sich die Dore-Jacobs-Schule entwickelte... • Dore-Jacobs-Publikationen: „Die menschliche Bewegung“, Düsseldorf 1972, und „Bewegungsbildung — Menschenbildung“, Düsseldorf 1976. • Zu Leben und Wirken von Artur und Dore Jacobs vgl. u.a. Publikationen von Mark Roseman: "In einem unbewachten Augenblick. Eine Frau überlebt im Untergrund" (Berlin 2002) und "Ein Mensch in Bewegung. Dore Jacobs, 1894-1978", in "Essener Beiträge. Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 114" (2002)] 1896 8. August: Geburt der Tochter Eva [† 17. Mai 1979 in Arcegio (Schweiz). — Montessori-Kindergarten-Leiterin. "Dem Andenken (...) des Malers Hermann von der Dunk", ihres ersten Mannes, widmete Ernst Marcus sein 1924 erschienenes "Magie"-Buch.] 1899 Erste Buchveröffentlichung: Die exakte Aufdeckung des Fundaments der Sittlichkeit und Religion und Die Konstruktion der Welt aus den Elementen des Kant. Eine Erhebung der Kritik der reinen und der praktischen Vernunft zum Range der Naturwissenschaft (Leipzig). (1899) Erste persönliche Begegnung mit dem am 4. Mai 1871 geborenen Schriftsteller und Philosophen Salomo Friedlaender (ab 1909 Pseudonym: Mynona), der jährlich einige Wochen im Haus des Essener Rabbiners Salomon Samuel, seines Schwagers, verbringt. 1900 Versuch einer Umbildung der Kant'schen Kategorienlehre in: »Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie«, Band 24; in den »Vorreden«zu beiden Auflagen der Logik (1906 und 1911) wird diese Abhandlung vom Autor »widerrufen«. 1901 1. April: Geburt des Sohnes Robert [† 19. Mai 1978 in Tel Aviv. — Studium an der Technischen Hochschule Berlin; Diplom-Ingenieur.] 1902 Kants Revolutionsprinzip (Kopernikanisches Prinzip). Eine exakte Lösung des Kant-Humeschen Erkenntnisproblems, insbesondere des Problems der »Erscheinung« und des »Ding an sich« (Herford). 21. Mai: Salomo Friedlaender erhält vom Autor ein Exemplar Kants Revolutionsprinzip. 1904 Umzug in die Mietwohnung Schubertstraße 11, ein Einfamilienhaus der Bürgerbaugenossenschaft im Bernewäldchen. Ein Weg zur widerspruchsfreien Auslegung der Kritik der reinen Vernunft in: »Altpreussische Monatsschrift«, Band 41. 1905 Das Erkenntnisproblem oder wie man mit der »Radiernadel« philosophiert. Eine philosophische Trilogie mit einem Vorspiel (Herford; 2. Auflage Berlin 1919). 8. Februar: Besuch von Hermann Cohen, Philosophie-Professor und Haupt der neukantianischen »Marburger Schule«. 3. Juni: Begegnung mit Karl Vorländer, Kantforscher und Sozialist, bei Professor Th. Imme, Lindenallee 9. 1906 Logik. Die Elementarlehre zur allgemeinen und die Grundzüge der transzendentalen Logik. Eine Einführung in Kants Kategorienlehre [Herford; 2. Auflage 1911; Neuausgabe in Ernst Marcus: Ausgewählte Schriften, Band II (Bonn 1981. (Vgl. hierzu u.a.: Rezension von W. Steinbeck in »Kant-Studien«, 76. Jahrgang, 1985, Heft 1; H. Lüdtke, »Ernst Marcus als Kantinterpret«, Hildesheim 1989)]. 1907 Das Gesetz der Vernunft und die ethischen Strömungen der Gegenwart [Herford; 2. Auflage München 1921 unter dem Titel Der kategorische Imperativ. Eine gemeinverständliche Einführung in Kants Sittenlehre; Neuausgabe in Ernst Marcus: Ausgewählte Schriften, Band II (Bonn 1981)]. Revolutionäre Kräfte in der Philosophie in: »März. Halbmonatsschrift für deutsche Kultur«, Band 1. 1908 Das Gesetz von der Erhaltung der Substanz in: »Frankfurter Zeitung und Handelsblatt« vom 28. Februar. Liberalismus und ethische Reform in: »Frankfurter Zeitung und Handelsblatt« vom 17. Mai. Das Erkenntnisproblem. Eine Erwiderung in: »Kantstudien« Band 13. •
1910 Hermann Cohens »Theorie der Erfahrung« und die Kritik der reinen Vernunft in: »Altpreussische Monatsschrift«, Band 47. (1912) Artur Jacobs hebt - Bezug nehmend auf "E. Marcus: Logik: Elementarlehre zur allg. u. die Grandzüge der Transzend. Logik. 2. Aufl." - in seinem Aufsatz »Die allgemeinen Naturgesetze des Kantischen Systems und die Skepsis. Ein Beitrag zur Kritik des Skeptizismus« (»Altpreussische Monatsschrift«, Band 49) "die zahlreichen Verdienste, welche sich E. Marcus um die wissenschaftliche Philosophie erworben hat", hervor: Dieser habe "gezeigt, dass der Ursprung, der Urtypus, des Wahrheitsbegriffs in der formalen Logik liegt, dass Wahrheit 'wie Bejahung und Verneinung eine Inhärenz der Denkordnung' ist". 1912/13 Hält in seiner Wohnung vor privatem Zuhörerkreis Vorlesungen, die dem Buch Kants Weltgebäude (1917) zugrunde gelegt werden. 1913 Lehnt Versetzung auf einen anderen Richterposten ab, um sich die »pax philosophica« zu bewahren. 1914 Die Beweisführung in der Kritik der reinen Vernunft. Mit Berücksichtigung des Fries-Nelson'schen Systems in: »Altpreussische Monatsschrift«, Band 51, und - titelgleich - als Sonderdruck: "Essen-Ruhr 1914. Selbstverlag des Verfassers" (darin (S.88) angekündigt: „In Vorbereitung: Kants Weltgefüge. – Vorträge. – Eine gemeinverständliche Einführung in die kritischen Werke Kants.“] 1916 Erhält den Titel »Geheimer Justizrat«. 5. Dezember: Salomo Friedlaender/Mynona erhält »zur freundlichen Erinnerung« vom Autor ein Exemplar der Logik (»Zweite verbesserte und vermehrte Auflage« von 1911; vgl. 1900 und 1906). (1916/1917) Artur Jacobs schreibt über »Die Beweisversuche für die Analogien der Erfahrung von Ernst Marcus und die Kritik der reinen Vernunft« in »Altpreussische Monatsschrift«, Bände 53 u. 54. [A. Jacobs stellt darin an Marcus' o.g. Schrift von 1914 u.a. heraus, sie hebe sich "wohltuend durch grössere Präcision und Knappheit der Form" ab und lege "das gewaltige Gerüst der kantischen Gedanken mit soviel Intuition und Eigenart" auseinander und verfolge es "bis in die letzten Gründe", d.h.: "Wer wissen will, was Präcisionsphilosophie anstrebt, der mag diese Arbeit studieren."] 1917 Kants Weltgebäude. Eine gemeinverständliche Darstellung in Vorträgen [München; 2. Auflage 1920; Neuausgabe in Ernst Marcus: Ausgewählte Schriften, Band I (Bonn 1969)]. 1918 Das Problem der exzentrischen Empfindung und seine Lösung (Berlin). [»Dadasophische« Verwertung durch Raoul Hausmann in dessen um 1969 verfasster Schrift »La Sensorialité excentrique - Die exzentrische Empfindung«, hg. v. A. Koch, Graz-Wien 1994; Hausmann hat, mutmaßlich gemeinsam mit Mynona, Ernst Marcus bereits im November 1916 in Essen besucht. Hausmann — ohne die Konzeption etwa der Bonner »bühne für sinnliche wahrnehmung - KONZIL« zu kennen — 1968/69: »Vor einem halben Jahrhundert hat der Philosoph Ernst Marcus erkannt, dass die haptische Empfindung selbst an der visuellen Empfindung teilhat (...) in der Folge hat sich Niemand mehr mit dieser Entdeckung beschäftigt.« — »Hausmanns Aufnahme physiologischer Theorien oder eher Theorieversatzstücken«, notiert Bernd Stiegler in seinem Aufsatz "Das Neue Sehen zwischen Objektwelt und Physiologie - Zur Photographietheorie Lazslo Moholoy-Nagys und Raoul Hausmanns" (1999, URL> http://waste.informatik.hu-berlin.de/mtg/mtg4/stiegler.html <), »geht zurück auf die stark lebensweltlich ausgerichtete Philosophie des heute unbekannten Theoretikers Ernst Marcus, dessen Texte auch von Salomo Friedlaender Mynona diskutiert wurden. Marcus’ Theorie der Exzentrizität der Empfindungen gestattet es, wahrnehmungstheoretische Fragen mit einer emphatischen Unmittelbarkeits- und Ursprungstheorie zu verknüpfen. Die Kombination von Destruktion und einer Theorie des Ursprungs ist dabei für die Zwischenkriegszeit ein weit verbreitetes Phänomen und findet sich, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, in verschiedenen Ausprägungen bei Ernst Jünger, Walter Benjamin und Martin Heidegger. Hausmann und Moholy-Nagy sind beide Vertreter des sogenannten „Neuen Sehens", greifen dabei aber auf spezifisch andere Theorietraditionen zurück. Das „Neue Sehen" setzt sich zwar, wie die markante Bezeichnung hinreichend deutlich macht, von einer traditionellen Photographietheorie ab, kann aber das theoriegeschichtliche Erbe nicht verleugnen.«] 28. Oktober: Tod seiner Frau. 6. November: Salomo Friedlaender/Mynona hält in einer Veranstaltung des Verlags »Der Sturm« in Berlin den Vortrag »Das Problem der exzentrischen Empfindung. Nach Ernst Marcus«. Zur transzendentalen Deduktion der Analogien. Eine Erwiderung in: »Altpreussische Monatsschrift«, Band 55. (Die "Erwiderung" bezieht sich auf den o.g. Beitrag von Artur Jacobs »Die Beweisversuche für die Analogien der Erfahrung von Ernst Marcus ...« (1916/1917); Ernst Marcus merkt dazu u.a. an: "Ich selbst sah mich genötigt, ihn um die Publikation zu bitten, da er behauptete, eine mathematisch sichere Widerlegung meines Beweises in Händen zu haben." 1919/20 Erkenntnistheoretischer Idealismus oder transzendentaler Realismus? In: Kantstudien, Band 24. (1920) Artur Jacobs noch einmal »Zur transzendentalen Deduktion der Analogien« in: »Altpreussische Monatsschrift«, Bd. 57. 1921 Naturwissenschaft und Philosophie in:»Frankfurter Zeitung und Handelsblatt« vom 2. Januar. Kant und der Aether in: »Frankfurter Zeitung und Handelsblatt« vom 31. August und 14. September. 1922 Zur Relativitätstheorie in:»Frankfurter Zeitung und Handelsblatt« vom 13. April. Salomo Friedlaender/Mynona veröffentlicht »Graue Magie. Berliner Nachschlüsselroman« [Berlin, Dresden 1922; 2. Auflage unter dem Titel »Geheimnisse von Berlin. Ein Roman« (Berlin, Leipzig 1931)] mit der Widmung: »Dem Philosophen Ernst Marcus, dessen (leider noch nicht veröffentlichte) Theorie der natürlichen Magie den spielerischen Vorspuk dieser "grauen" erst ermöglicht hat.« 1924 Theorie einer natürlichen Magie. Gegründet auf Kants Weltlehre [München; italienische Übersetzung: Teoria Di Una Magia Naturale (Bari 1938)]. Gegen die Einstein-Philosophie. In: »Frankfurter Zeitung und Handelsblatt« vom 23. Mai . 1925 Aus den Tiefen des Erkennens. Kants Lehre von der Apperzeption (dem Selbstbewusstsein), der Kategorialverbindung und den Verstandesgrundsätzen in neuer verständlicher Darstellung. Ein Kommentar zur transzendentalen Logik (Kritik der reinen Vernunft, Teil II) [München; Neuausgabe in Ernst Marcus: Ausgewählte Schriften, Band I (Bonn 1969)]. Kant und Einstein. In: »Frankfurter Zeitung und Handelsblatt« vom 9. und 24. April. (1925) Salomo Friedlaender veröffentlicht einen »Katechismus der Magie. Nach Immanuel Kants "Von der Macht des Gemüts" und Ernst Marcus' "Theorie der natürlichen Magie"« (Heidelberg; Neuauflage 1978, Freiburg/Breisgau). 1926 Kritik des Aufbaus (Syllogismus) der speziellen Relativitätstheorie und Kritik der herrschenden Hypothese der Lichtausbreitung (Berlin). Über Einstein.In: »Frankfurter Zeit ung und Handelsblatt« vom 31. Januar. Fatum und Freiheit in: »Philosophie und Leben«, herausgegeben von August Messer, 2. Jahrgang, Heft 10. Magie und Freiheit in: »Gesetz und Freiheit. Veröffentlichung der Schule der Weisheit«, herausgegeben von Hermann Keyserling (Darmstadt). Das unsterbliche Ich. Aus der Welt Kants in: »Münchner Neueste Nachrichten« vom 16. November. 1927 Die Zeit- und Raumlehre Kants (Transzendentale Aesthetik) in Anwendung auf Mathematik und Naturwissenschaft [München; Neuausgabe in Ernst Marcus: Ausgewählte Schriften, Band II (Bonn 1981)]. Der Zusammenbruch der Wissenschaft in: »Frankfurter Zeitung und Handelsblatt« vom 13. Februar. 1928 Salomo Friedlaender/Mynona veröffentlicht »Mein hundertster Geburtstag und andere Grimassen« (Wien, Leipzig); darin bekennt er vom »Geheimrat Ernst Marcus in Essen«: »Was ich geistig bin, verdanke ich ihm«. 25. Februar: Lesung Friedlaender/Mynonas in Essen. Der Triumph über die Logik in: »Frankfurter Zeitung und Handelsblatt« vom 4. März. 29. Oktober: »Ich entwerfe eine Ethik. Man mag, wenn sie nicht fertig wird, die Entwürfe (Versuche) herausgeben.« •
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