Schall. Ton. Klang. Stimme. Daraus Sprache: Klingendes Unterscheiden der Dinge. Geburt und Bezeichnung aller Wesen. Gestalt. Figuren, Farben.. Was für Zeichen. Etwas für Zeichen. Bezeichnungen für. Zeichen für etwas. Schilder — Bilder?
Was sich zeigt: Die Formung aller Farben und Schönheit: Allerlei rote Farben in je eigener Qualität, hinzu gebildet allerlei weiße und blaue, allerlei grüne und dunkele und vermengte Farben mit mancherlei Gestalt.
Sang craché. Wut-Ruten, Augias-Besen, Hesperiden-Rispen, Blüten-Rauch. Sensibel differenzierte Misch-Techniken finden wir, wie auch: Subtil plausible Fest-Stellungen, Licht-Zerstreuungen. — Terra di Siena, Neapelgelb, Porphyr-Staub, Ocker, Sepia, Umbra. Sand und Öl; Acryl und Getreide; Distel, Kletten, Klebstoff. Leinwand, Papier, Karton, Seide, Porzellan. Verbranntes Holz. Steine. — Geröll und Schlamm, Pigmente. Rückstrahlkraft der Farben. Brand-Scheite und Kraft-Ballen, Fruchtbarkeit-Schösslinge, Siebensachen-Bündel.
Geh auf eine Wiese, da siehst du mancherlei Kraut und Blumen. Du siehst bittere, du siehst herbe, süße, saure, weiße, gelbe, rote, blaue, grüne und mancherlei. Wachsen sie nicht alle aus der Erde? Stehn sie nicht nebeneinander? Mißgönnt etwa eins dem andern seine schöne Gestalt? Kontexturen. Umgedreht —
Köstlicher grüner Stein! Der da: Sieht aus wie ein Blitz, und wenn ihn das Licht anscheint, so scheints rotgrünlich, als ob ein Karfunkel draus leuchtete oder als ob das Leben da Ursprung hätte! Rubin, Smaragd, Onyx, Saphir, Augit, Berill, Amethyst und dergleichen.
Pour la terre et les pierres: Dinn dinn dinn dinn — mangeons! Lüfte, Kohlen, Fels und Eisen.
Wie sich die Tiefe zwischen Sternen und Erden in ihrer Gestalt immer verändert! Bald ists schön licht, bald trüb, bald Wind, bald Regen, bald Schnee! Bald ist die Tiefe blau, bald grünlich, bald weißlich, bald dunkel. Konstrukturen. Querbeet.
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5. Februar 2000, Görlitz, Annenkapelle.
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HANNE-MARTJE MÜNTHER —
[Daten zu H.-M. Münther –> Link –> Vernissage-Text "PETZOWER ENGEL-ADVENT" zur AusstellungPlötzlich, unerwartet, eine unerhörte Detonation, als zerspränge der Berg in Stücke, zuerst rollten gewaltige Steinlawinen herunter, dann Feuer und eine Unmenge Rauch, ein Fließen-Stieben-Stürzen, so dass sich die ganze Atmosphäre verfinsterte und die Sonne verschwand, als gäbe es eine Sonnenfinsternis. Der Tag verwandelte sich in Nacht und das Licht in Finsternis.
» LICHT'Engel'Farben'Schein·Malerei und Objekte « in der Schinkel-Kirche zu Petzow am 21. September 2002.]
Heute vor eintausendneunhundertachtunddreißig Jahren, auf den Tag genau: am 5. Februar des Jahres 62 unserer Zeitrechnung, zerstörte ein heftiges Erdbeben Isis- und Venus-Tempel und große Teile jener Stadt, die dann — siebzehn Jahre nach diesem Beben, dessen Folgen noch keineswegs beseitigt sein konnten — durch einen ungeheuerlichen Vulkanausbruch verschüttet wurde: im August 79; in Pompeji kamen über zweitausend Menschen zu Tode, von der Glut-Flut überrascht, versteinert-gebrannt im Platzregen aus Schutt und Asche: Wen der traf, den traf er!
Aus feuriger Tiefe, aus kochendem Chaos quoll und schoss glut-rote Materie hervor, die Erde schien zu durchbrechen, der Erdboden sich umzuwenden; Licht und Finsternis, Hitze und Kälte, Tod und Leben schienen wieder eins zu werden.
Der Berg zerbarst, teilte sich; neben dem Monte Somma ent-stand der Vesuv.
Farbe — Weiß
— Wasser. Sündenhaus dieser Welt, wie bist du mit Hölle und mit
Tod umfangen! Sonnenfeld; Lanzarote, Totem, Feuerspielchen? Kuckucksheim
— aus allen Wolken. Und Görlitz — Licht dispers: Jakob Böhme
notiert den Ausruf: Wach auf, der Tag bricht an! Morgenröte bricht
an. Dumme tote Welt, was forderst du doch Zeichen! Es soll sich
keiner selber stockblind machen, die
Zeit der Wiederbringung, was
der Mensch verloren hat, die ist vorhanden: Die Morgenröte zeigt
sich. Es ist Zeit für geöffnete Augen! Kein Dünkel
soll sein, ists Gedichte oder Phantasei? Verstehn wir die wahrgenommene
Sprache der Natur?
1600: Giordano
Brunos Feuertod am Brand-Pfahl; die Zeit vor den »Soledades«
des Luis de Góngora
und Jakob Böhmes »Morgenröte im Aufgang«. Und beim
Bau des Sarno-Kanals gabs erste Funde am Vesuv, und danach, im achtzehnten
und im neunzehnten Jarhundert, als dann Fiorellis ernsthafte Grabungen
begannen,
wurden auratische Reste des verschütteten Pompejis zu Tage
gefördert: Tempel, Plätze, Theater, Thermenanlagen, Wasserversorgungsbauten,
Amtsgebäude, Öfen, Mühlen, Gaststätten, Mauerwerke,
Trottoire, Inschriften, Graffiti, Kunstwerke, öffentliche und private
Häuser, kleine Räume, Küchen und Badezimmer, wenig Fenster,
Wandgemälde, Mosaiken, Skulpturen; Hohlräume verbrannten, ausgelöschten
Lebens. Wird das Geschaute zeigbar? Schattenscherben und Farbräume.
Mit Blick auf sein berühmtes Bild "Homage to the Square", das die Farben Weiß, Grau und Grün in Beziehung zueinander setzt, sagte der Bauhaus-Künstler Josef Albers Anfang der sechziger Jahre: "Wenn jemand »rot« sagt (als Bezeichnung einer Farbe) und wenn fünfzig Personen zuhören, darf man erwarten, dass fünfzig verschiedene Rot in ihrem Bewusstsein auftauchen. Man darf sicher sein, dass all diese Rot verschieden sind. Selbst wenn eine Farbe spezifiziert wird, eine Farbe, die alle Zuhörer unzählige Male gesehen haben, wie zum Beispiel das überall gleichbleibende Rot des Coca-Cola Zeichens, werden sie immer noch an verschiedene Rot denken."
Es geschieht dem Glaubenden und der Malerin, der einen wie dem andern, konstatierte unser Jakob Böhme: Alle beide sehen — bei Licht betrachtet — doch nichts als Holz und Farben. Aber: Hat eine Malerin die Gottheit auf ein Epitaphium gemalt, mag wohl der Glaubende sagen, er sehe Gott und — die Gottheit sehe ihn. Nämlich: Die Augen des Geistes sollen dir geöffnet sein, so gebierst du Angeschautes aufs Neue! Und machte schiere Begreiflichkeit uns sonst nicht eigentlich zu Narren?
Was sich also zeigen kann. Farbflächen, Farbräume, Farbtöne; Verhältnis von Form und Grund; Verschiebung materieller und formaler Grenzen nach außen, eröffnete Freiheit des Machbaren, stratigrafisch erschlossene Experimente, gestische Abläufe. Die Klang-Farben der Dinge; Sinngebung für die Identitätssuche, Zeichensetzung aus der Gelassenheit, Entwürfe der Dialogbereitschaft.
Sehen Sie: Gezeigter Einblick, gemalte Anschauung, schattierte Einsicht, festgehaltene Schwebe, gestaltete Eruption. Wohin Sie sehen: Aus Bruch Versuche, finde ich: Logorhythmen; Sinnen-Tänze, bildlich gesprochen: Gedachte Gedichte, verwoben mit Silben und Wendungen auch unseres poetischen Farb-Klang-Sehers Jakob Böhme, der hierorts so Licht-hörig und Ton-fühlig — jener eingangs zitierten Selbst-Laut-Malerei eines Arthur Rimbaud vorgreifend — die Sprache der Dinge erlauschte, ganz wie wir die Gestalt der Dinge zu erschauen versuchen. Gestalteter Alltag, unser ganzer Lebtag: Signatura rerum.
Morgenröte wird vom Aufgang zum Niedergang scheinen, so ist keine »ZEIT« mehr, sondern Sonne des Herzens, des Schauens. Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder; vielmehr, mit Paul Klee gesprochen: Kunst macht sichtbar.
Und schließlich also:
Gerd
Hergen Lübben:
ZUEIGNUNG
(II: »AUF
JAKOB BÖHME«)
für
Hanne-Martje
Münther,
anlässlich
der Ausstellung mit ihren Bildern und Objekten
in Görlitz
am 5. Februar 2000:
Danke. Glück auf!WELCH EIN GESANG IST HEUT IM SCHWANG:
DER REICHE DEN ARMEN ZWINGT,
UND IHM SEINEN SCHWEISS ABDRINGT,
DASS DER SILBERLING KLINGT.
SPRINGT AUS DEM HERZEN, »AN« UND »FANG«,
KLÄNGE WIE ZEICHEN, KOMMT RAUS! SEID NICHT BANG,
GELDSUCHT, FINANZBETRUG UND HEUCHELEI
AUS UNSERM LAND ZU FEGEN! SEID SO FREI!SPAZIERT MITEINANDER, SCHAUT! UND NICHT
VERGESSEN, WIE LACHEN, FREUEN, REIGEN
IN GEMÄLDE, GESANG UND GEDICHT
ERSCHLOSSENE EINSICHTEN ZEIGEN!
SEHT AN, WIE DIE FARBEN IM LICHT
NICHTS VERSCHWEIGEN.