Kulturplan der IG Medien
· Bezirk Ruhr ·
[Schützenbahn 11-13 · 45127 Essen]
Beschlossen in der Vorstandssitzung der IG Medien·Bezirk
Ruhr am 20. Februar 1999.
7 Thesen
der IG Medien im Bezirk Ruhr
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Eine Gewerkschaft, die auch KünstlerInnen
organisiert, muss kulturpolitische Ziele formulieren können; diese
müssen auch ortspezifische Umstände berücksichtigen.
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Diese Tatsache hat zur Konsequenz, die
Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik zu begreifen. Damit wird die Solidarität
von Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen mit KünstlerInnen eine
Basis für ein gemeinsames politisches Handeln.
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In diesem Bewusstsein manifestiert sich
eine positive Einstellung zu den im Grundgesetz festgeschiebenen Grundrechten.
Zu ihnen gehört die "Freiheit der Kunst".
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Die gesellschaftliche Verunsicherung
vieler Menschen durch Arbeitslosigkeit, Einschränkung sozialer Rechte
usw. bedeutet oft den Verlust einer Identität. Das macht manche BürgerInnen
politisch verführbar, und dies fördert politische Rechtstendenzen!
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Das "Recht auf Arbeit" und die "Freiheit
der Kunst" sind aufeinander angewiesene Geschwister, da ihre Lebensfähigkeit
von der Einheit der Kreativität, manuellen Fertigkeiten, Solidarität,
Identität abhängig ist. Kultur und Arbeit sind nicht zu trennen!
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Gewerkschaften sichern demokratische
Grundrechte, und KünstlerInnen fördern die Freiheit geistiger
Entwicklungen. So sind ArbeitnehmerInnen und KünstlerInnen gesellschaftliche
Kräfte, ohne die sich keine humane Zukunft entfalten kann. Hier finden
wir die Wurzeln der Zusammengehörigkeit von ArbeitnehmerInnen und
KünstlerInnen.
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Die herrschenden gesellschaftlichen
Machtstrukturen haben die beiden Gruppierungen noch nicht zu ihrer inhaltlichen
gesellschaftlichen Gesamtverantwortung kommen lassen. Sie werden wie reine
"DienstleisterInnen" behandelt!
Einige Vorschläge
zum praktischen Handeln
auf der Grundlage der »Kulturplan«-Thesen
der IG Medien im Bezirk Ruhr
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In Kurzreferaten sollten innerhalb eines
Jahres KünstlerInnen aus den unterschiedlichsten Sparten dem Vorstand
ihre Probleme schildern und die daraus erwachsenen Forderungen erläutern.
Dies kann helfen, ein besseres Problembewusstsein zu entwickeln. – Auf
Mitgliederversammlungen und Delegiertenkonferenzen sollen KünstlerInnen
aus unserem Bezirk Arbeiten vorstellen und über sie mit den anwesenden
Kolleginnen uns Kollegen diskutieren. Das kann dem gegenseitigen Verständnis
dienen.
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Die städtischen Haushaltsentwürfe
müssten auf ihre Kulturetats genauer geprüft werden, damit wir
als Gewerkschaft falschen Tendenzen in der Kulturentwicklung entgegenwirken
können. Konkret heißt das: Wir müssen qualifizierte Stellungnahmen
zu den Haushaltsplänen formulieren, die den Stadtabgeordneten helfen
können, ihre parlamentarischen Entscheidungen genauer zu überdenken.
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Mit Blick auf Förderkriterien für
eine Regionale Kulturpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen – z.B. kommunale
Grenzen und Kultursparten übergreifende Zusammenarbeit sowie Bezugspunkte
auch zu denkmalgeschützten Bauwerken – sollten exemplarisch Förderprojekte
skizziert werden.
– Beispiele:
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Erstellung einer Dokumentation
– Lexikon, Atlas, Loseblattwerk, Internetseiten u.ä. – über im
Ruhrgebiet "real existierende" SchriftstellerInnen, FilmemacherInnen, Bildende
KünstlerInnen, KomponistInnen, JournalistInnen usw.
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Schaffung einer eigenständigen
Dokumentations- und Anlaufstelle für die v.g. Medien- und Kulturschaffenden;
hierzu lässt sich der bereits denkmalgeschützte Essener Gruga-Turm
als "gestandenes Wahrzeichen" fürs Ruhrgebiet als Medien- und Kulturregion
benennen, der bereits ab 1928/29 u.a. als "Radioturm" mit "Kinoanlage"
im "Lichtbildergarten" und mit oben angebrachter "Laufschrift" ein zukunftweisendes
Zeugnis "Neuen Bauens" war und dessen Stahlskelett-Konstruktion die Bombardements
des Zweiten Weltkriegs "überstanden" hat.
»Zur Regionalen Kulturpolitik«
Stellungnahmen und Forderungen zur regionalen Kulturpolitik
der IG Medien im Bezirk Ruhr orientieren sich
an folgenden Thesen:
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Regionale Kulturpolitik kann sich ohne
die in der Region lebenden KünstlerInnen kaum positiv entfalten.
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Basis dieser Kulturpolitik sind die
Aktivitäten der KünstlerInnen und die Möglichkeiten, die
ihnen Veranstalter der Region schaffen. – Sogenannte Highlights bzw. Events
mit "weltbekannten" KünstlernInnen und ihren riesigen Honoraren gehören
nicht in ein Konzept zur Förderung einer regionalen Kulturpolitik…
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Politik sowie Geldgebende müssen
die gesellschaftliche Funktion der Kunst in ihrer geistigen/gestalterischen
Unabhängigkeit begreifen. Sie ermöglicht eine kulturelle Entwicklung,
die eine humane regionale Identität fördert.
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KünstlerInnen suchen den Dialog,
nicht um andere in ein von ihnen ausgesuchtes Konzept zu zwingen, sondern
um das Spektrum der geistigen Auseinandersetzung zu beleben und zu erweitern.
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PolitikerInnen sollen in ihrer politischen
Arbeit Freiräume schaffen, die gesellschaftliche/kulturelle Prozesse
zulassen, die nicht in einen gültigen Abschluss münden, sondern
eine ständige Entwicklung sichern.
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Wenn Kunst eine tragende Säule
der Kultur ist, dann dürfen die Kunstproduzenten bei der Gestaltung
einer sich neu orientierenden Kulturpolitik nicht auf eine Spielwiese geschickt
werden, auf der sie sich austoben können. Kunst und KünstlerInnen
müssen gesellschaftlich wahrgenommen werden, nicht allein im Sinne
der Unterhaltung und des Konsums, sondern im Sinne kreativer Visionen,
die über den Zeitgeist hinaus gehen.
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Gegenwärtige poltische/wirtschaftliche
Machtstrukturen dürfen mit ihrem Einfluss künstlerische Entwicklungen
und Auseinandersetzungen nicht zu lenken versuchen. Die Unabhängigkeit
der Kunst ist ihre Kraft, und in ihr liegt ihre gesellschaftliche Bedeutung.
– Politik muss die Freiheit der Kunst schützen. Sie sichert damit
auch unsere Demokratie.
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Eine richtig verstandene regionale Kulturpolitik
schafft einen fruchtbaren Boden für eine gesellschaftliche Entwicklung,
die sich frei machen kann von verengten, einseitig ausgerichteten sowie
konsumorientierten Vorstellungen. Dies erleichtert die Gestaltung der Zukunft.
Nach einem von
Gerd Hergen Lübben
(Verband deuscher Schriftsteller / )
und Reinald Schnell (Fachgruppe Bildende Kunst) vorgelegten Entwurf.